Dokumentation der religiösen und politischen Entwicklungen in Ägypten
2011-2013


Da sich die Forschung von Univ.-Prof. Dr. Wolfram Reiss über lange Jahre auf das Christentum in Ägypten und die christlich-muslimischen Beziehungen in diesem Land konzentrierte und sich sowohl seine Dissertation über die „Erneuerung in der Koptisch-Orthodoxe Kirche“ (Heidelberg 1996) als auch seine Habilitationsschrift über die „Darstellung des Christentums in ägyptischen Schulbüchern“ (Rostock 2005) mit Ägypten beschäftigte, wurde er nach dem Beginn des „Arabischen Frühlings“ sehr oft zu Vorträgen zu den Entwicklungen in Ägypten eingeladen.  Diese intensivere Wiederbeschäftigung mit den Kopten und der Situation in Ägypten führte zur Idee, die aktuellen religiösen und politischen Entwicklungen in Kooperation mit dem „Center of Arab West Understanding“ zu dokumentieren, in dessen Beirat Wolfram Reiss schon seit den 1990er Jahren mitwirkt.

Die Hauptidee war dabei, ägyptischen Wissenschaftlern und Intellektuellen sowie wichtigen Figuren in verschiedenen islamischen und christlichen Gruppen eine Plattform im Westen zu bieten, um die innerägyptischen Diskurse festzuhalten, da immer wieder festzustellen ist, dass die Darstellung der politischen und religiösen Entwicklungen durch westliche „Experten“ oftmals stark differiert von den Diskursen, die im Land selbst geführt werden. So wurden liberale und orthodoxe Christen und Muslime, Islamisten, Führer von politischen Gruppierungen und Intellektuelle aus verschiedenen Lagern zu Interviews eingeladen und ihre Stimmen wurden in einer einzigartigen Dokumentation von mehreren Büchern in der Reihe „Anwendungsorientierte Religionswissenschaft“ festgehalten. Prof. Reiss fungierte bisweilen nicht offiziell als Herausgeber, allerdings genügten die eingereichten Manuskripte oftmals nicht Mindeststandards europäischer Forschung, so dass immer wieder auf Überarbeitungen gedrängt werden musste und teilweise selbst editorische Aufgaben übernommen wurden.

 

Cornelis Hulsman (Ed.): The Sharia as the Main Source of Legislation? The Egyptian Debate on Article II of the Egyptian Constitution, Marburg: Tectum 2012.

Das erste Buch reflektiert die ägyptische Debatte über die Sharia als Hauptquelle des Islamischen Rechtes, d.h.  über Artikel II der ägyptischen Verfassung. Dabei zeigte sich, dass die Gegenüberstellungen oftmals ganz anders sind als von westlichen Autoren dargestellt, denn keineswegs votierten Kopten durchgehend für eine säkulare Verfassung, dies waren nur einige wenige Intellektuelle von muslimischer und christlicher Seite. Die meisten Kopten hatten keine Einwände gegen Artikel II, sofern gewährleistet ist, dass die Sharia nur für die Muslime gilt, koptische Rechtsprechung aber für Christen.

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Wolfram Reiss (Hg.): Aufstieg und Fall der ägyptischen Muslimbruderschaft 2011-2013, Marburg: Tectum 2016.

Das zweite Buch beschreibt den Aufstieg und Fall der ägyptischen Muslimbruderschaft 2011-2013. Der Weg der Muslimbruderschaft von einer verfolgten und verboten Bewegung hin zur wichtigsten Oppositionsbewegung, die schließlich in den Jahren 2011-2013 die Wahlen gewann und den ersten frei gewählten Präsidenten Ägyptens stellte, wird im Detail dokumentiert. Darüber hinaus wird eine Analyse der ägyptischen Medien wird durch Aisha al-Haddad vorgelegt, der Tochter des ehemaligen außenpolitischen Beraters Mursis. Schließlich werden die aktuellen Entwicklungen nach dem Sturz von Mursi von 2013-2015 beschrieben.

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Cornelis Hulsman (Ed): From Ruling to Opposition. Islamist Movements and Non-Islamist Groups in Egypt 2011-2013, Marburg: Tectum 2017.

Das dritte Buch beschreibt die politischen und sozialen Visionen der islamistischen Gruppierungen, die 2011-2013 an der Macht waren. Das Besondere dabei ist, dass das Buch auf Interviews mit 65 Islamisten beruht, die 2012-Juni 2013 durchgeführt wurden, d.h. zu einem Zeitpunkt als sie noch in einer Machtposition waren und frei über ihre gesellschaftspolitischen und religionspolitischen Vorstellungen sprechen konnten. Viele der Personen sind nach dem Sturz Mursis im Juli 2013 inhaftiert worden, in den Untergrund oder ins Ausland gegangen, so dass diese Interviews eine einzigartige Quelle für das Denken der islamistischen Gruppierungen darstellen, das mit der Machtergreifung Abd al-Fattah as-Sisi zwar mundtot gemacht wurde, nichtsdestotrotz aber noch immer in Ägypten vorhanden ist.

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Cornelis Hulsman (Ed.)/ Dana Serôdio: The 2014 Egyptian Constitution. Perspectives from Egypt. Marburg: Tectum 2017.

Das vierte Buch widmet sich der innerägyptischen Debatte über die neue Verfassung von 2014. Auch dieser Studien liegen zahlreiche Interviews mit Mitglieder der verfassungsgebenden Versammlung sowie mit mehreren externen Experten in Ägypten zugrunde, was die Stude nach Ansicht des Vorsitzenden der verfassungsgebenden Versammlung zu einer „unique scientific study on the making of Egypt’s Constitution of 2014“ macht. So jedenfalls Amr Moussa im Vorwort des Buches.

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Matthias Gillé: Der koptische Papst Schenuda III. Beobachtungen zu Theologie und Biographie. Marburg: Tectum 2017.

Das fünfte Buch, das unabhängig von der Dokumentation der religiösen und politischen Entwicklungen verfasst wurde, beschreibt die innerkirchlichen Entwicklungen in der Koptisch-Orthodoxen Kirche unter der Leitung von Papst Schenude III., der 2012 starb. Es knüpft an die Dissertation von Wolfram Reiss an und führt die weiteren Entwicklungen aus unter Berücksichtigung der besonderen Leistungen des charismatischen Kirchenführers, der eine besondere Rolle in der Erneuerung spielte, aber auch nicht unumstritten war.

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