Die philosophische Struktur des "Numinosen" bei Rudolf Otto und ihre Alternativen

Dissertationsprojekt von Myeong Il Lee

Rudolf Ottos Klassiker "Das Heilige" (1917) trägt den Untertitel "Über das Irrationale in der Idee des Göttlichen und sein Verhältnis zum Rationalen". Bemerkenswert ist, dass Otto unter den verschiedenen Termini, die auf Transzendenz (bzw. das religiöse Objekt) hinweisen – beispielsweise das Unbedingte, die Unbestimmtheit und die Unendlichkeit – den Begriff "Irrationalität" verwendet. Einerseits lehnt dieser Begriff eine einseitige Rationalisierung der Religion ab, andererseits bezieht er sich auf die religiöse Existenz des Einzelnen. Für seine numinose Religionstheorie beruft sich Otto auf Martin Luther als Quelle. Deshalb rekonstruiert das Dissertationsprojekt Ottos Religionstheorie in einer werkgeschichtlichen Perspektive im Ausgang von seiner Dissertation "Die Anschauung vom heiligen Geiste bei Luther".

Im Fokus der Untersuchung steht die philosophische Struktur von Ottos Religionstheorie sowie sein Begriff des Heiligen als Kontrast-Harmonie von Mysterium Tremendum und Fascinans. Allerdings ist das religiöse Apriori, auf dem seine Religionsphilosophie beruht, nämlich "die Anlage zur Religion" ("Kantisch-Fries'sche Religionsphilosophie"), umstritten. Denn ein religiöses Apriori wirft im Verhältnis zu der Vollzugsgebundenheit und Unableitbarkeit der Religion, ihrer "Kontingenz", Fragen auf. Vor diesem Hintergrund gibt es Versuche, den Inhalt von Ottos Religionsideen zu übernehmen, aber die Form durch andere Theorie zu ersetzen, etwa eine auf David Hume basierende emotional-empirische Philosophie oder die Religionsphänomenologie von Martin Heidegger.