Religion und Symbol. Eine Untersuchung zu Schellings identitätsphilosophischer Religionsphilosophie und ihrer Rationalitätsform
Dissertationsprojekt Patrick Leistner
Oftmals wird Schleiermachers Reden „Über die Religion“ von der neueren Theologiegeschichte zuerkannt, eine treffende Problemexposition der theologischen Situation im Aufbruch der Moderne formuliert zu haben. Die neu zu begründenden wissenschaftliche Theologie soll wieder einen Gegenstand, ein Prinzip und eine Methode erhalten, so dass sie zu einer modernen Disziplin im Kontext anderer Wissenschaften, der Öffentlichkeit und Kultur wird.
Das Dissertationsprojekt möchte zeigen, dass Schellings Religions- und Theologietheorie seit 1802 vergleichbar als ein philosophisches Modernisierungsprogramm zu rekonstruieren ist, das grundlegende religionstheoretische, theologische sowie wissenschaftstheoretische Grundfragen im Aufbruch der Moderne in einem Zuge ausmacht wie konstruktiv bearbeitet.
Eine Herausforderung stellt dessen anspruchsvolles Konzept von Rationalität und Wissenschaft seit 1801 dar. In die Identitätsphilosophie ist die Problemgeschichte von Kosmologie und Geschichtsphilosophie bis 1800 eingeschrieben. Dies wird in der Analyse der Werkgeschichte seit den Anfängen verfolgt, im Anschluss an ein erstes Kapitel zu Kant. In fünf weiteren Hauptkapiteln werden Schellings Überlegungen zur Rationalität und Wissenschaft in den einzelnen Werkphasen bis hinein in die Identitätsphilosophie seit 1801 rekonstruiert. Es wird dabei sichtbar, wie Schelling in Weiterführung der Kantischen Philosophie die Vernunft immer umfassender als reflexive Darstellungsmethodologie versteht. Die Rekonstruktionen hierzu werden in den einzelnen Kapiteln jeweils auf Schellings Überlegungen zur Religionsphilosophie und deren Symboltheorie bezogen.
Wenn das Werk Schellings aus dieser Sicht in den Blick genommen wird, so rücken thematisch scheinbar fernliegende Felder wie die Naturphilosophie in den Fokus der Aufmerksamkeit. Einerseits steht die Naturphilosophie für das Bemühen um ein modernes, wissenschaftliches Verstehen der Natur frei von den metaphysischen Vorgaben traditioneller theologischer Schöpfungsvorstellungen und ihren natürlich-theologischen Nachfolgern. Andererseits, so die These, ist die Naturphilosophie der Themenbereich, in den Schelling seine exegetisch-hermeneutischen Überlegungen der Tübinger Studienzeit verschiebt und diese so weitertreibt.
Das dort offene Problem einer plausiblen und kontrollierbaren Einheit von Vernunft und Sinnlichkeit bzw. von Philosophie und Historie wird ab 1797 in Form von Naturphilosophie bearbeitet. Verabschiedet werden abstrakte Unterscheidungen von reiner Vernunft und ihren sinnlichen Darstellungen. Auf diese Weise wird die identitätsphilosophische Religionsphilosophie vorbereitet: Sie geht ebenso davon aus, dass Religion und Symbol identisch sind und sich religiöse Symbole nicht in Dimensionen abstrakter reiner Vernunft auflösen lassen.
Das letzte Kapitel ist dem Verhältnis von Schelling und Schleiermacher gewidmet. Die gemeinsamen religionsphilosophischen Grundbegriffe beider Autoren sind um 1800 Individualität, Bildung, Mitteilung und Symbol. Bei näherer Betrachtung der Konzeptionen zeigen sich markante Unterschiede. Während Schleiermacher die Religion als ein spezifisches Vermögen des Menschen von dessen Selbstbewusstsein her begreift, verweigert es Schelling geradezu, den Ort der Religion im Selbstbewusstsein des Menschen anzugeben bzw. eine Vermögenstheorie der Religion als Selbstdeutung zu formulieren. Schelling entfaltet stattdessen eine geschichtsphilosophische Theorie der Individualität.
Patrick Leistner